Projektbeschreibung DIPART
Wenn Parteien in der digitalen Gesellschaft als grundsätzlich eher träge Organisationen weiterbestehen wollen, sind sie zu Veränderungen gezwungen. Das ist der Fall, weil durch den Wandel des gesellschaftlichen und politischen Umfelds von Parteien sowohl der Druck von außen durch die Wähler, als auch der Druck von innen durch die Mitglieder stärker wird. Dies ist insbesondere angesichts populistischer Parteien und Bewegungen virulent, die im Modus ihrer jeweiligen Entstehung die digitalen Kommunikations- und Organisationsweisen (etwa AfD oder PEGIDA) integrieren. Die übergeordnete Fragestellung des Projekts lautet deshalb in historischer Perspektive parteienvergleichend für den deutschen Fall und die im Bundestag vertretenen Parteien seit den 1970er Jahren: Transformieren Parteien ihre organisationale, funktionale und prozessuale Form in einer digitalen Gesellschaft? Welche Gründe liegen dafür in der digitalen Gesellschaft? Damit lässt sich zeigen, wie Parteien die politische Kultur und Entscheidungsstruktur von Demokratien beeinflussen und inwiefern sie zur Stärkung und Sicherung von Demokratie eintreten können. In dieser Hinsicht überprüft das Projekt, ob wir es bereits mit einer Parteienherrschaft oder gar -dominanz zu tun haben, die andere gesellschaftliche Stimmen überdeckt, statt sie aufzunehmen oder ob Parteien langfristig gegen den digitalen Sturm ankämpfen und ohne organisationale und funktionale Reorganisation in ihrer bisherigen Form nicht überleben werden. Das Ziel des projektierten Forschungsvorhabens ist die digitale Erschließung der Parteienforschung. Es wird ein Verständnis für den digitalen Wandel von Parteien in Deutschland entwickelt und Gestaltungswissen für die Rolle von Parteien bei der Stärkung und Sicherung der repräsentativen Demokratie generiert. Das bedeutet einen zweifachen Zugang zu diesem Feld: einerseits werden Wandelprozesse von Parteien erstmals nicht nur aufgrund von Dealignment oder inhaltlichen Entfremdungsprozessen und externen Schocks und Krisen konzeptualisiert, sondern die Digitalisierung des Parteiensystems wird als ausschlaggebend für Veränderungs- und Reformimpulse in Parteien untersucht. Andererseits dienen digitale Methoden und Analyseinstrumente der tiefgreifenden und umfassenden Erschließung des zugrundeliegenden Materials. Beide Perspektiven eint das Interesse an Prozessen und Abläufen im Hinblick auf das Funktionieren von Organisationen. Hierzu verknüpft DIPART die politikwissenschaftliche Parteieninstitutionalisierungsforschung mit der soziologisch-orientierten Parteienforschung.
Die zentrale Fragestellung wird in drei Dimensionen, der organisationalen, kommunikativen und partizipativen erörtert und von den Projektmitarbeitern bearbeitet. Hierzu ist das Projekt in insgesamt drei Teilstudien unterteilt, die ersten beiden bilden die genannten drei inhaltlichen Dimensionen ab, während die dritte Teilstudie die übergreifende methodische Klammer aller Projekte bildet. Die erste Teilstudie begreift Digitalisierung als Momentum für den Organisationswandel von Parteien und zugleich als Chance, die Transformation der Gesellschaft durch Partizipation aktiv mitzugestalten. Deshalb fokussiert diese Studie auf die parteiinterne Seite digitaler Transformation. Zäsuren in der Organisationsweise von Parteien werden historisch analysiert, da ohne eine adäquate Vorstellung davon, was ‚vor der Digitalisierung’ in Parteien üblich war, kein Vergleich systematisch und zuverlässig anzustellen ist. Das Teilprojekt spürt dem organisationalen Wandel verschiedener junger und alter Parteien an Fallbeispielen in Deutschland nach (CDU, SPD, Grüne, AfD) und erschließt dabei zugrundeliegende Informationsflüsse und Wandel determinierende parteiinterne Netzwerkstrukturen. Dieses Teilprojekt versteht sich zugleich als rahmend und übergreifend für die anderen Studien.
Die zweite Teiluntersuchung besteht aus zwei Promotionen – einer zur Qualität digitaler Diskurse und mithin zur kommunikativen Interaktion von Parteien mit ihren Zielgruppen und der anderen zur digitalen Mobilisierungskraft für Parteien über digitale Mittel. Beide Untersuchungen eint die Perspektive auf Digitalisierung als Treiber für politische Partizipation und Umweltfaktor für Parteien. Beide Dissertationen und Perspektiven haben Schnittmengen zu anderen Fachteilen und Disziplinen, etwa zu Policyforschung, Demokratiemessung, kommunikationswissenschaftlichen Methoden sowie Verfahren der Diskursforschung.
Verklammert werden alle Studien durch einen methodischen Schwerpunkt, den die dritte Teiluntersuchung mittels digitaler Methoden bildet. Digitalisierung als methodisches Paradigma bildet die Verbindung zwischen den inhaltlichen Teilprojekten, indem digitale Erhebungs- und Analyseverfahren (machine learning, Big Data, text mining, soziale Netzwerkanalyse) als innovativer transdisziplinärer Werkzeugkasten der Parteienforschung aufgebaut werden. Gemeinsam mit Kollegen aus Informatik und Digital Humanities erschließen alle Projektmitglieder triangulativ und kombinatorisch die gemeinsam gebildeten Textkorpora, Diskursstrukturen sowie Parteiennetzwerke. Eine Verbindung von klassischer Dokumentenanalyse und Inhaltsanalyse mit sozialer Netzwerkanalyse führt zur Erweiterung des Arbeitsspektrums für die Parteienforschung. Dies ist besonders innovativ, weil die Parteienforschung die Netzwerkanalyse bisher weitestgehend ausgeblendet hat. Dabei eignet sich dieses Forschungsparadigma besonders, um weniger zugängliche Forschungsobjekte wie Parteien zu erschließen. Experteninterviews und Gespräche, die der vertieften Erkenntnisproduktion dienen, soll dies jedoch nicht ersetzen. Eine weitere Perspektive und womöglich eine ergänzende Anschauung kann dadurch aber erzielt werden.
Meilensteine
- 2018: Inhaltlicher Workshop zum theoretischen Konzept,
Workshop zu Datenmanagement und Methoden der Vergleichenden Politikwissenschaft.
Einladung eines externen Fellows zu Rechtsgrundlagen und Konstitutionalisierung von Parteien. - 2019: Tagung mit dem Titel „Parteien im digitalen Wandel“ mit Parteien- und Internetforschern.
Einladung eines externen Fellows zu statistisch-mathematischen Verfahren in der Parteienforschung mit SNA. - 2020: Zwischenevaluation mit Präsentation erster Projektergebnisse und Test des bisherigen Datenkorpus sowie Theorierasters
Abschluss der ersten Dissertation
Beginn der zweiten Dissertation - 2021: Publikationsvorbereitungen aus Teilstudie 1 und 2
Publikationen liegen vor
Überführung der Daten in Datenarchive, Virtual Language Observatory - 2022: Abschlusstagung mit Bericht zu Prokjektergebnissen
Abschluss der zweiten Dissertation
Daten gesichert und zur Nachnutzung bereitgestellt
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